Roman
Polanski: "Kids lieben Vampirgeschichten" Sokyu Uchida: "So leicht wie der Tee kann auch die Atmosphäre sein" Wiesel&Versus: "Rodeln mit Justin" |
Wahrer Grusel rostet nicht: Regie-Altmeister Roman Polanski über die Zukunft der Musicals und sein liebstes Publikum textpop: Ihre Kinder Elvis und Morgane sind zwei und sieben Jahre alt... Roman Polanski: "Seltsam, ich bin wegen der Show hier und, um Fragen bezüglich der Show zu beantworten, und Sie stellen mir Fragen wegen meiner Familie... " textpop: Es gibt schon einen Bezug zur Story. Kinder sind manchmal in der Lage, all unsere Power und Energie aufzusaugen. Gibt es womöglich eine Beziehung zwischen Kids und Vampiren? Roman Polanski: "Die Beziehung besteht darin, dass Kids Vampirgeschichten lieben. In Wien war der Balkon zwischen dem ersten Rang und der Galerie jede Nacht voll mit Kindern. Sie sind unser Lieblingspublikum. Sie amüsieren sich sehr über diesen Sinn für Humor. Viele Märchen sind sehr gruselig. Sie sind voller Horror-Charaktere und Vampire." textpop: Offensichtlich genossen Sie Ihre Regiearbeit in Wien. Wie wichtig ist der Einfluss von Umgebungen, etwa von Menschen und Städten, für Ihr Befinden und Ihren kreativen Output? Polanski: Es ist wichtig für die Stimmung. Der Erfolg Ihrer Arbeit hängt stark von Ihrer Umgebung ab. Aber am Wichtigsten sind die Menschen und die Arbeitsbedingungen. Ich kann nicht sagen, dass es der kreativen Arbeit besonders förderlich ist, hier (zeigt durch die Panoramascheibe auf die Ackerflächen der Fildern bei Stuttgart) zu arbeiten, es herrscht hier nicht die beste Atmosphäre. Aber die Leute um mich herum und die technische Ausstattung sind fantastisch. Das entschädigt für Einiges." textpop: Vor einigen Tagen wurde das erfolgreichste Musical Polanski (lacht): " hören Sie das wunderschöne Glockenspiel hier? Ich komme immer zur vollen Stunde hierher und setze mich davor "
textpop: "In der Tat? Vor einigen Tagen wurde das erfolgreichste Musical aller Zeiten, "Cats", in New York eingestellt. Vor einigen Wochen waren viele Gerüchte über die finanzielle Situation der Stella AG im Umlauf. Wie sollen Geschichtenerzähler künftig die Erwartungen des Publikums erfüllen? Polanski: "Ich sehe keinen Zusammenhang zwischen "Cats" und den Schwierigkeiten von Stella. "Cats" lief 18 Jahre. Es ist völlig normal, dass nach 18 Jahren etwas weniger Zuschauer kommen. Als sie damit begonnen haben, hätten Sie eine solch lange Laufzeit niemals erwartet. Es starten immer noch einige wenige Musicals, die unglaublich erfolgreich sind. Zum Beispiel "Lion King" - man bekommt einfach kein Ticket. Es gibt viele Beispiele dafür rund um die Welt, sogar mittelmäßige Musicals haben manchmal sehr gute Laufzeiten. Ich würde aus Problemen, die diese Firma hatte, nicht auf ein nachlassendes Publikumsinteresse schließen. Das ist nicht der Fall." textpop: Wir alle versuchen in einem Ozean von immer mehr Informationen und Formen der Kommunikation zu schwimmen. Aber die Menschen lieben immer noch gute Geschichten. Polanski: "Oh ja, die Story ist essenziell. Definitiv." textpop: Also verschwinden diese Geschichten nicht. Polanski: "Eine gute Show braucht eine gute Geschichte. Ob es nun ein Musical ist, ein Schauspiel oder ein Film. Zuerst kommt die Story." textpop: Sind Sie noch ein Geschichtenerzähler im eigentlichen Sinne? Polanski: "Ich denke doch. Es ist nicht allein die Geschichte, sondern man muss wissen, wie man sie erzählt. Wenn Du die Geschichte nicht richtig erzählen kannst, ist es sinnlos, es zu versuchen. Wenn Du keine Geschichte hast, brauchst Du erst gar nicht den Mund aufmachen." textpop: Welche Märchen mögen Ihre Kinder, wenn Sie sie zu Bett bringen? Polanski: "Das ist unterschiedlich. Kinder machen verschieden Phasen durch. Sie kennen etwa eine Geschichte, die in ihrem Bewusstsein widerhallt und in Beziehung zu ihren aktuellen Problemen steht. Sie wollen, dass man ihnen jede Nacht die gleiche Geschichte erzählt. Ohne Grund wechseln sie dann plötzlich zu etwas Anderem, und es gibt eine Zeitlang eine neue Geschichte."
textpop: Sie müssen sich dann eben immer etwas einfallen lassen. Polanksi: "Du musst ihnen erzählen, was sie hören wollen. Es ist sinnlos, sie mit etwas zu langweilen, was sie nicht hören wollen." textpop: Sie haben als Filmregisseur oft Ihren Stil varriiert, Meisterwerke wie "Chinatown" oder "Rosemaries Baby" spielen subtil mit dem jeweiligen Genre. Wird Ihr nächster Film "Das wunderbare Überleben", mit dem Sie im Winter beginnen, dem Publikum auch eine Reflektion Ihrer ureigenen Geschichte geben? Polanski: "Es wird kein Genrefilm. Das ist ein Film, den ich eines Tages einfach machen muss. Jetzt ist genau der richtige Zeitpunkt gekommen, um mich mit diesem Stoff eines polnischen Pianisten zu beschäftigen. Ich glaube, dass dies zum richtigen Zeitpunkt passiert." textpop: Ein typischer Vampir kann sich auch in Tiere verwandeln, speziell in Fledermäuse. Waren Sie in einem früheren Leben auch schon ein Tier? Polanski:
"Ich bin kein Vampir. Ich sauge auch niemanden aus und ich glaube
im wirklichen Leben nicht an Vampire. Ich hoffe, Sie glauben auch nicht
daran."
Sokyu Uchida: "Zunächst würde ich betonen, wie gesund der Tee ist. In der Teezeremonie geht es vor allem darum, dass Gastgeber und Gast eine schöne Zeit miteinander haben, ein gutes Beisammensein genießen und etwa zusammen Süßigkeiten verkosten. Die Gesprächsszenen handeln dann meistens von den Wandbildern oder von der Teeschale - also von welcher Art, von welcher Färbung sie ist -, oder vom Tee an sich." textpop: Sie hatten heute etwa eine Stunde Zeit für die Demonstration. Normalerweise dauert Chanoyu, die Zeremonie, wesenlich länger. Sokyu Uchida: "Bei einer offiziellen Teezeremonie nimmt man sich vier Stunden Zeit und es gibt verschiedene Sorten von starkem und mildem Tee. Der heutige Tee aus Teepulver ist der Mildeste von allen und wird bei einer vierstündigen Zeremonie erst in der letzten Stunde getrunken." textpop: Ich habe noch nie so grünen Grüntee gesehen. Sokyu Uchida: "Je nach Teeplantage steigt oder sinkt die Qualität. Je nach Qualität ändert sich dann auch das Grün." textpop: Sie haben selbst mit acht Jahren ihre Ausbildung begonnen. Wo und unter welchen Umständen haben Sie gelernt? Sokyu Uchida: "Meine Karriere begann damit, dass meine Schwester, die zehn Jahre älter ist, bereits eine Teelehrerin hatte. Diese Lehrerin war gleichzeitig eine Freundin meiner Mutter. Es kann auch vorkommen, dass die eigene Mutter oder der Vater der Lehrer ist, doch dann ist man emotional häufig zu sehr eingebunden." textpop: Manche sagen auch, man muss Chado und Chanoyu sein Leben lang lernen. "Ein Leben lang, quasi 'bis dass der Tod uns scheidet'. Es ist tatsächlich eine Lebenseinstellung."
textpop: Was ist der Unterschied zwischen einem Teemeister und einem Teelehrer? Sokyu Uchida: "Unter Frauen habe ich den höchsten Grad. Es gibt noch einen höheren Titel, den man jedoch nur als Mann tragen darf." textpop: Japan und Deutschland sind zwei der wenigen Länder, die heute führende Industrienationen sind und gleichzeitig auf eine alte Kultur zurückblicken können. Welchen Stellenwert haben traditionelle Zeremonien wie Kado, also Ikebana, wie wir sagen, Chado oder Shodo, die Kalligrafie, im Zeitalter von Hi-Tech, Burger King, Tamagotchis und Internet? Sokyu Uchida: "Vor allem betreibt man die Teezeremonie heute als Hobby. Voraussetzung dafür, eine Chado-Meisterin zu werden, ist auch, dass man die Kalligrafie beherrscht, weil man die Wandbilder lesen und schreiben können muss. Man muss auch Ikebana-Erfahrung haben, den Wert der Blumen erkennen und diese arrangieren können. Bei einer sehr offiziellen Teezeremonie kommen noch Mahlzeiten dazu, man muss folglich kochen können. Von großem Vorteil ist es natürlich, wenn man die Süßigkeiten, die zum Nachtisch serviert werden, auch selbst produzieren kann. Man muss auch selbst das Geschirr auswählen können und sich mit dem Brennen von Ton und Porzellan auskennen. In Teezeremonien werden oft verschiedenen Schalen kombiniert. Chado ist eine sehr umfassende Tradition. Wenn man Teezeremonien leitet, schult man auch seinen eigenen Sinn für Ästhetik." textpop: Haben Sie in den wenigen Tagen, die Sie in Deutschland sind, schon einen Eindruck von der Tischkultur, der Gastronomie und deutschen Tischsitten bekommen? Sokyu Uchida: "Ich finde, Käse und Wurst schmecken in Deutschland sehr gut - und auch die Früchte. Der europäische Geschmack passt den Japanern durchaus, aber die Menge ist oftmals ein Problem." textpop: Was werden Sie sich hier auf jeden Fall ansehen? Sokyu Uchida: "Dresden möchte ich sehen. Ich habe gehört, dass Dresden der japanischen Stadt Kyoto ähnelt." textpop: Was sollte ein Deutscher, der in Japan arbeitet und dort erst seit kurzer Zeit ist, tun, wenn er die Ehre hat, zu einer Teezeremonie eingeladen zu werden? Sokyu Uchida: "Er braucht sich da keine großen Sorgen zu machen, weil er ja geladener Gast ist. Deshalb wird der Gastgeber alles so arrangieren, dass sich der Deutsche keine Sorgen oder unnötigen Gedanken machen muss." textpop: Er wird also genügend Zeit haben, sich vorzubereiten. Sokyu Uchida: "Nein, man muss sich gar nicht vorbereiten. Man kommt einfach und genießt den Tee." textpop: Japan hat, unabhängig von der Teezeremonie, eine ganz andere Tischkultur. Es darf auch gern geschmatzt und geschlürft werden. Nur Niesen ist tabu. In Europa ist es eher umgekehrt. Welche Unterschiede fallen Ihnen noch auf? Sokyu Uchida: "Spontan keine. Nur eines fällt mir noch ein: Die Japaner nehmen ihre Schalen gern in die Hand, um daraus zu essen. Die Deutschen tun dies nicht. Das liegt wohl daran, dass in Japan mehrere kleine Gerichte serviert werden, während in Deutschland meist nur ein großer Teller auf dem Tisch steht." textpop: Man hat den Eindruck, dass es bei der Teezeremonie in der Regel sehr schweigsam und ernst zugeht. Darf die Runde auch fröhlich oder gar laut werden? Sokyu
Uchida: "Es kommt auch darauf an, ob man starken oder milden
Tee serviert. Starker Tee symbolisiert den Geist des Zen-Buddhismus; er
wird schweigsam eingenommen. Heute gab es sehr milden Tee - so leicht,
wie der Tee ist, kann auch die Atmosphäre sein. Man kann sich unterhalten
und sich austauschen."
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